Sonntag, 3. Mai 2015

Bewegungsanalyse im Physikunterricht

Einleitung

Es gibt derzeit schon eine beachtliche Anzahl an Apps im Bildungsbereich, welche auch auf konkretere Themenbereiche eingehen. Dies bedeutet, dass entsprechende Inhalte bereits interaktives Lehrmaterialien darstellen und der Nutzen daher noch genauer abgewogen werden muss, als bei einer allgemeinen App aus dem Bereich Produktivität.
In Anlehnung an Spector (2014) sollten daher zumindest folgende Fragestellungen bei der Auswahl einer fachspezifischen App diskutiert werden:
  • Wie oft kann eine Anwendung tatsächlich genutzt werden, um etwaige Anschaffungskosten zu rechtfertigen?
  • Ist bei einer einmaligen Anwendung diverser Gadgets der zusätzliche Zeitaufwand zum Installieren und Einarbeiten in die Software wirklich gerechtfertigt?
  • Bietet die App einen pädagogischen Mehrwert, der den Lehrenden entlastet und den Schülerinnen und Schülern dynamische Hilfestellungen bietet; und gibt es auch schwierigere Übungen, damit sich fortgeschrittene Schülerinnen und Schüler nicht langweilen?
  • Wie können Lernziele überprüft bzw. der Lernfortschritt formativ (d.h. während der Lernphase) gemessen werden?
Die derzeitige Lage deutet darauf hin, dass es kaum Apps gibt, die alle diese Kriterien zufriedenstellend erfüllen. Dennoch sollen diese Fragestellungen in späteren Beiträgen teilweise oder vollständig herangezogen werden, um die vorgestellten Apps zu untersuchen. Zusätzlich werden auch Aspekte im Bereich der User Experience, sowie technische Merkmale untersucht. Dieser Beitrag befasst sich näher mit der App „NewtonDV“ und deren Einsatzmöglichkeiten im Bereich der Kinematik und Mechanik.

Bewegungsanalyse am iPad

Das iPad und vergleichbare Tablets werden bereits mit vielen eingebauten Sensoren geliefert, z.B. zum Messen von Beleuchtungsstärke, Beschleunigungen oder sogar Magnetfeldern. Interessanterweise sind alle diese Sensoren nicht extra eingebaut worden, um den Physiklehrern eine Freude zu machen, sondern sind sogar systembedingt notwendig, um die User Experience des Tablets, sowie die Grundfunktionen zu realisieren. Für die Bewegungsanalyse genügt jedoch die eingebaute Kamera. Auch wenn es sich hierbei um keine Hochgeschwindigkeitskamera handelt, so ist durch die zumindest 30 Bilder pro Sekunde bereits eine Genauigkeit für die Zeitmessung impliziert, die man per Hand nicht reproduzieren kann.

Die Ausgangslage besteht nun darin, dass man kurze Videosequenzen verschiedener Bewegungsvorgänge aufnimmt und diese dann Schritt für Schritt untersucht. Das lässt sich mit geeigneter Vorbereitung (z.B. im Bild vorhandener Maßstab) natürlich mit jedem guten Mediaplayer bewerkstelligen. Man kann dann die verstrichene Zeit und die Position des betrachteten Objekts im Einzelbild messen und daraus Weg-Zeit-Tabellen und -Diagramme erstellen. Da dies aber relativ aufwendig ist, gab es schon früher normale Computerprogramme, bei denen man lediglich die Position des Objekts im Einzelbild markieren musste. Anschließend wird alles andere automatisch berechnet und gezeichnet. Teilweise wurde sogar eine automatische Positionsermittlung mit den Methoden der Bilderkennung angeboten.

Die eigentliche Neuerung besteht nun hauptsächlich in der Logistik der Durchführung. Durch das Tablet haben alle SchülerInnen die Möglichkeit, nicht nur umgehend eine eigene Videoaufnahme zu machen, sondern diese sofort in entsprechenden Apps weiterzuverarbeiten.

Die App „NewtonDV“


Ein Produkt, welches sich dieser Aufgabenstellung annimmt, ist die die App NewtonDV von Roland Wejner, welche derzeit für 4,99 EUR im AppStore zu bekommen ist (Wejner, 2014). Es gibt daneben auch eine kostenlose Probeversion („NewtonDV Lite“), mit der man alle Funktionen ausprobieren kann. Allerdings ist es nicht möglich eigene Aufnahmen zu verwenden.

Durchführen einer Videoanalyse:
NewtonDV kann direkt auf die eingebaute Kamera zugreifen, oder Videos aus der Sammlung des Benutzers verwenden. Daneben gibt es auch ein paar geeignete Testvideos. Nachdem eine geeignete Filmsequenz gewählt wurde, muss man die Route des gewünschten Objekts im Einzelbild-Modus markieren. Dazu stehen im Bereich Video folgende Optionen zur Verfügung:

Setzen von Messpunkten, Skalierung und Koordinatenursprung.

  • Messpunkte setzen: Hier wird jedes Einzelbild der Aufnahme durch weiter blättern („wischen“) erreicht. Durch längeres Tippen mit dem Finger wird eine Lupe sichtbar, mit der man nun den exakten Punkt auswählen kann. Danach muss noch mit „Messpunkt setzen“ bestätigt werden. Tipp: Da es bei bewegten Objekten aufgrund der Verschlusszeit zu Schlieren kommt, sollte man darauf achten stets den fortgeschrittensten Bereich des Objekts zu markieren. Außerdem sollte man die Leerzeit zu Beginn des Videos gering halten, da man derzeit den zeitlichen Nullpunkt nicht festlegen kann.
  • Koordinatenursprung setzen: wie der Name sagt, kann man hier mit der gleiche Methode den Nullpunkt der x- und y-Achse für alle Bilder verschieben.
  • Skalierung setzen: Damit das Programm sinnvolle Messwerte ausgeben kann, muss man festlegen, wie groß ein gewisser Referenzabstand im betrachteten Bild ist. Hier bietet es sich natürlich an bereits bei der Aufnahme einen sichtbaren Maßstab zu platzieren.
Hat man nun alle Messpunkte gesetzt, stehen im Bereich Tabelle alle Messdaten (Weg, Zeit) und daraus numerisch abgeleitete Werte für Geschwindigkeit und Beschleunigung in beiden Dimensionen, sowie deren Betrag zur Verfügung.

Der Bereich Diagramm bietet äquivalente Optionen, d.h. alle möglichen Kombinationen zwischen Zeit, Weg, Geschwindigkeit und Beschleunigung sind möglich. Zusätzlich lassen sich lineare, quadratische und trigonometrische Trendkurven einfügen. Wie bereits erwähnt, gibt es hier allerdings noch Probleme, da der Ursprung der Zeitachse nicht manipuliert werden kann, und daher kein Abszissen-Abstand geändert werden kann.

Weg-Zeit-Diagramm der Messpunkte mit linearer Trendlinie.

Auch noch interessant ist die Darstellung des Sachverhalts als Serien- und Stroboskopbild. Letzteres bedeutet, dass ein kleiner Bildbereich rund um jeden Messpunkt in das erste Bild eingefügt wird. Man sieht also den Bewegungsverlauf statisch in einem Bild dargestellt.

Die bisher beschriebenen Möglichkeiten erfüllt die App sehr gut, allerdings gibt es noch einen Mangel im Bereich der dauerhaften Speicherung der Messdaten. Es gibt keine Möglichkeit angefangene Projekte zu speichern; und auch der Export von Messdaten ist eingeschränkt. Man kann nur die üblichen iPad-Screenshots machen, oder die Messwerte als CSV-Datei, sowie ein Bild direkt an eine E-Mail Adresse schicken. Da es während der Stunde leider unbeabsichtigt vorgekommen ist, dass die „NewtonDV“ beendet wurde, ist vor allem die Möglichkeit einer Projektspeicherung ein dringendes Anliegen.

Erprobte Einsatzgebiete


Bisher wurde die Bewegungsanalyse für folgende Aufgaben verwendet:
  • Untersuchung des freien Falls und Bestimmung der Erdbeschleunigung.
  • Für die Untersuchung des dritten Newton’schen Axioms, bzw. für die Gültigkeit des Impulserhaltungssatzes,wurden zwei Experimentierwägen unterschiedlicher Masse voneinander abgestoßen. Mit Hilfe der Videoanalyse konnte eine sehr präzise Messung des langsameren Fahrzeugs durchgeführt und daraus die Geschwindigkeit des leichten Fahrzeugs bestimmt werden.

Referenzen

Spector, J. M. (2014). Conceptualizing the emerging field of smart learning environments. Smart Learning Environments, 1(1), 1-10. Abgerufen am 2. April 2015, von: http://www.slejournal.com/content/pdf/s40561-014-0002-7.pdf

Wejner, R. (2014). NewtonDV. Abgerufen am 1. November 2014, von: https://itunes.apple.com/de/app/id717653395



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